Gefühle am Fernseher

Ja, ich gehöre zu denen, die beim TVgucken weinen. Es ist eben nicht nur Film, wie man mir einreden wollte. Es geht auch um mich da in den Geschichten. Bei Private Practice, einer amerikanischen Serie (Montagabend auf SRF2), trauern sie („sie“, das sind Addison, Violet, Sam, Charlotte, Naomi, Cooper und die anderen) um ihren toten Freund Pete. Ich kann nicht anders. Ihre Trauer mischt sich mit meiner. So ist das. Besonders im Januar.

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Es hat schon angefangen…

…das neue Jahr, ich weiss. Aber ich bin – wieder mal – noch nicht ganz soweit. Mein Freund, der StadtPfarrer, hat zwischen den Jahren weise getwittert: „#Rauhnacht ist. So schlaf ich viel und warte ab. Nichts Unnötiges tun jetzt.“ Ich hab’s nicht ganz geschafft… Und jetzt hat es eben doch angefangen, das Jahr 2013 und es tut wieder not etwas zu tun. Nur wo beginnen…

Ich hab’s entschieden: Ich beginne hier. Und grüsse Sie und euch mit dem Gedicht von Rose Ausländer.

Im neuen Jahr grüsse ich

meine nahen und die fremden Freunde

grüsse die geliebten Toten

grüsse alle Einsame

grüsse die Künstler, die mit Worten Bildern Tönen mich beglücken

grüsse die verschollenen Engel

grüsse mich selber mit dem Zuruf Mut

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WeltUntergänge…

Ich hab ganz viel gelesen über den Weltuntergang, der vielleicht morgen stattfinden soll. Oder wird. Oder könnte. Was wenn ja, was wenn nein. Ob denn nun wirklich überhaupt. Und was wir und ihr täten, wenn. 

Ich glaube, ja. Es gehen Welten unter. Oft.

Welten gehen unter. Es sterben Freundinnen weg. Kinder werden gar nicht erst geboren. Söhne wenden sich von ihren Eltern ab. Dolche stecken in Rücken und Kugeln im Fleisch. Narben reissen auf. Welten gehen unter. 

Und: Morgen abend wird es nicht vorbei sein. Es gehen Welten unter, auch weiterhin. Jeden Tag. Jede Nacht.

Aber eine singt: „Welten gehen unter und werden neu gebor’n“ .

Und: Es ist Advent. Es gibt mehr zu erwarten als untergehende Welten. Das glaube ich.

 

Ewigkeiten…

Ein ewiges Wochenende, schön wär’s. Nein, es dämmert schon wieder und der EwigkeitsSonntag neigt sich. Und doch haben die Zeiten grad etwas Ewiges an sich. Gestern der Film: Das Leben der andern. Zum ersten Mal gesehen. Und ich war be- und gerührt und entsetzt und befremdet und es hat mich zwischendurch gefröstelt und mir dann wieder das Herz gewärmt. Dann den Film gleich noch ein zweites Mal angesehen. Diesmal mit Kommentar des Regisseurs. Das war eine Premiere für mich. Grandios, so hinter die „Kulissen“ eines Films zu hören. Wie genau überlegt. Wie x-fach ausprobiert die Szenen. Das  Entwickeln der Beziehungen zeigen, so dass ich als Zuschauerin ganz drin sein kann. Ich habe grossen Respekt vor der RegieArbeit, schon von der TV-GottesdienstArbeit her. Aber im Film, das ist dann nochmal eine andere Geschichte. Zum Beispiel das mit den Farben: Kein Rot. Kein Blau. Mehr Orange und Grün. So das Farbkonzept des Films, damit er den Erinnerungen an die DDR und ihre Zeiten gleicht… Und die Echos: Genau so hat das in Berlin ausgesehen damals. Nein: genauso haben Sie es in Erinnerung…

So gestern eingetaucht in die Geschichte Europas, heute eingetaucht in meine eigene kleine MenschenGeschichte. Es ist EwigkeitsSonntag und im Grossmünster sitzen Traurige und werden leise getröstet, von Worten und Musik und Menschen und im Raum. Es erklingt die Kantate von Nicolaus Bruhns: Die Zeit meines Abschieds ist vorhanden. Ich habe einen guten Kampf gekämpfte, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Ich sage auch lieber „EwigkeitsSonntag“ als „TotenSonntag“. Aber ich denke an meine lieben Toten und stehe am Nachmittag auf dem Friedhof. Still und nicht allein. Wunderbar wohltuend seine Schulter an meiner. Nicht allein bei den Toten. Und sehr lebendig. Ja.

Es gibt keinen EwigkeitsSonntag ohne Mascha Kaleko für mich. Ihr „Memento“ gehört hierher. Ans Ende jedes Kirchenjahres:

Memento

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tod derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind ?

Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muß man leben.

… und so leben wir. Jetzt schon auf den Advent hin… Leise erklingt die erste Adventsmusik durch die AbendDämmerung.

Bleibt behütet!

Dunkle Nacht.

Letzte Nacht war Schlafen ein KunstStück. So viele Gedanken in meinem Kopf. Dazu das weisse SchneeLicht von draussen. AutoScheinwerfer leuchten heller als sonst. Hier am Zürichsee Winternacht. In New York City Sturmnacht. Meine Family dort schreibt kurz (bei uns hier 2 Uhr morgens): „Jetzt kein Strom mehr“. Ich suche nach Bildern und Nachrichten auf Twitter mit Hashtag Sandy (#Sandy – sieht geschrieben harmloser aus, als sich der Hurricane und seine Spuren dann auf Twitpics und Co zeigen…). Persönliche News habe ich keine mehr.

Nun ist es hier auch wieder Abend. Magnolia Bakery (da wo’s ganz leckere Cupcakes gibt…) schreibt: „We’re officially in Hurricane Sandy recovery mode in NYC!“ (also sie sind schon im Modus vom WiederAufrappeln…). Aber gilt das auch für Downtown, für Tribeca? Ich weiss es nicht.

Eine gute Seele hat mir folgendes Zitat von Salman Rushdie in meine Sorge geschickt: „The city is a mess – but this is New York. Give us a day. We’ll be fine“.

Ich bleibe in Gedanken jedenfalls eine weitere Nacht in NYC.

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GoldSonntag

Kurzmitteilung

 

Heute war ein wunderbar goldener Herbstsonntag und ich schaue zurück auf Tage voller HerbstGold.

Meine Freundin ist davongeflogen. Sie reist in den nächsten Monaten einmal um die Welt. Sie macht ihren Traum wahr. Mutig und voller Lebenslust und ein bisschen wehmütig steht sie mit ihrem reduzierten Gepäck am Flughafen. Wir vom  „VerabschiedungsKomitee“ mindestens ebenso wehmütig und voller Glück, dass sie tut, was sie erträumt… Nun ist sie unterwegs. Nein, sie wird nicht die ganze Welt sehen. Wer behauptet denn sowas! Naja, dann sei es eben keine Weltreise. Doch, es ist eine Weltreise! Sie fliegt einmal rundrum um den Globus, und entdeckt ihre Welt. Wenn das keine Weltreise ist…

Eine andere Welt wird unterdessen kleiner. Lorenz Marti, der geduldige Redaktor, der meine (und die vieler anderer und eh noch viel mehr) auf DRS2 gesendet hat, geht in Pension. Ich habe meine vorletzte, im Team mit ihm war’s nun meine letzte Radiopredigt aufgenommen. Schon wieder wehmütig. Danach beim Kaffee im Dachgeschoss auf dem Radiostudio Bern zurückschauen auf 9 Jahre, fast 10, und vertrautes Reden über Gott und das Radio und die Welt und uns. 9 Jahre. Tönt nicht nach wahnsinnig viel. Aber – mein Gott! – was war da nicht alles los. In der grossen und in meiner kleinen Welt. Und in den 9 Jahren habe ich viel gelernt über meine Stimme, mit mir, beim Sprechen ins Mikrofon und beim MirZuhören.

Dann tun sich neue Welten auf. Es war KickOff-Sitzung für den FernsehGottesdienst vom März 2013. Die Reformierten aus Sursee LU kommen zu Tönen und zu Wort. Ich freu mich. Eine ganz besondere Kirche, klein aber fein. Und die Fenster, an denen habe ich mich noch nicht satt gesehen.

Und heute war kein SattSehen möglich am ZüriSee… Und ich zitiere einen, der den Tag auf den Punkt gebracht hat:

„Ein sonniger Herbsttag im Wald legt den verrückten Gedanken nahe, die Welt sei gut.“

Sommerloch und Herbstriss

Im Sommer gab’s ein Loch. Auch in meinem Blog.

Nun wird’s Herbst und es geht weiter. Gut so. Aber zu schreiben beginn ich bei dem, was Löcher riss ins Gewebe…

Es fehlt einer. Hellmut Geissner, ein grosser Lehrer im Denken und Sprechen und Zuhören, in allem, was mit Dialog zu tun hat, ist am 19. August gestorben. Für mich gab’s nur zwei kurze Begegnungen, aber die werde ich nie vergessen. Mit Schalk im Augenwinkel hat er mich angesehen und bestimmt, dass ich die Erdbeere von der Kuchenmitte kriege… und das Abschiedliche war trotz der SommerSonne, die durch den roten Schirm drang, spürbar. Als Riss…

Jetzt sprengt’s die Kastanien auf. GoldbraunGlänzendes guckt unter spitzen Stacheln durch den Spalt. Am Sonntag hab ich Tische mit MaroniKugeln dekoriert und meine Finger sind ein paar mal zurückgezuckt, weil mich die feinen Stacheln in die Fingerspitzen gepikst haben. 

Unter fallenden Kastanien / den Garten umarmen / Durch Zeitgeräusch wandern / von Stimme zu Stimme / Herzliche Briefe / lieben / Sich an allen Ecken / wund stossen / und ganz bleiben. Rose Ausländer

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Und mit den Worten Hellmut Geissners:

ich

wer bin

ich

 

sintert 

gin

den riss

 

ich bin

der

ich bin

 

und 

wer bist

du

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Auf einen nachdenklichen Herbst.